Zu wenige Flugzeuge, Personalengpässe und teures Kerosin: Billige Flüge gehören im Moment der Vergangenheit an. Gerade zu den Herbstferien spüren viele Verbraucher, dass sich am europäischen Himmel einiges verändert hat. Schnäppchen, Dumping-Preise oder Marketing-Schlager, wie die unter 100-Franken-Flüge nach Venedig, Mallorca oder andere beliebten Ferienorte mit bekannten Billigfliegern sind kaum noch zu finden.
Auch Ryanair-Chef Michael O’Leary sieht für derartige Spottpreise in den kommenden Jahren keinen Spielraum mehr. Europas grösster Billigflieger kündigte stattdessen via BBC-Interview an, dass der durchschnittlich erzielte Ticketpreis um 25% auf rund EUR 50 pro Strecke steigen werde.
Auf deutlich höhere Durchschnittspreise kommt gemäss «fvw.de» das Vergleichsportal Check 24 für den Zeitraum der deutschen Herbst-Schulferien vom 4. Oktober bis zum 6. November. So kostet beispielsweise ein Hin- und Rückflug auf die Kanaren im Schnitt EUR 464 und damit 21% mehr als ein Jahr zuvor und sogar 30% mehr als im Vergleichszeitraum vor der Corona-Krise.
Für einen Trip an die türkische Riviera müssen Sonnenhungrige EUR 385 zahlen. Das sind 27% mehr als im Vorjahreszeitraum, Hin- und Rückflug nach Bodrum an der türkischen Ägäis verteuern sich innerhalb eines Jahres sogar um 44%.
Kerosinkosten verantwortlich für die hohen Preise
Der Kreditversicherer Allianz Trade sieht vor allem die seit dem russischen Angriff auf die Ukraine stark gestiegenen Kerosinkosten als Grund für die Hochpreisphase an. Für das Gesamtjahr rechnet die Allianz bei den Tickets mit einer weit überdurchschnittlichen Preissteigerung von 21%. Angesichts der Treibstoffpreise hätten die Fluggesellschaften derzeit zudem nur geringe Anreize, ihr in der Krise kräftig abgebautes Personal wieder aufzustocken.
«Das Angebot hinkt der Nachfrage immer noch hinterher», stellt Gerald Wissel von der Beratungsgesellschaft Airborne fest. «Die Airlines schaffen es teils aus organisatorischen Gründen nicht, sämtliche Flugzeuge wieder in die Luft zu bekommen. Sie sind wegen der Unsicherheiten rund um Corona aber auch mit angezogener Handbremse unterwegs. Das ist sehr schwer abzuschätzen.»
Nach Daten des Statistischen Bundesamtes stiegen die Ticketpreise in Deutschland im Reisemonat August im Schnitt um bis zu 12,5% gegenüber dem Vorjahresmonat. Im Vergleich zum Vorkrisenmonat August 2019 verteuerten sich Flüge um mehr als 20%.
Lufthansa-Chef Carsten Spohr macht keinen Hehl aus den derzeit sehr auskömmlichen Ticket-Erlösen seines vom Staat geretteten Konzerns. Die Plätze in den Flugzeugen gehen häufiger zu den Höchstpreisen der oberen Buchungsklassen weg. Das automatisierte Buchungssystem setzt die Ticketpreise für jeden einzelnen Flug mehrmals täglich fest und schliesst die preisgünstigeren Klassen schnell, wenn bis zum Abflug erfahrungsgemäss noch eine ausreichende Nachfrage zu erwarten ist.
«Der Wunsch, unser Produkt zu erwerben ist so stark, dass wir mit der Produktion nicht hinterherkommen», sagte Spohr vor einigen Tagen. Und selbst der anstehenden Rezession könne man begegnen, indem man einen grösseren Teil der Tickets in den USA verkauft. «Wir gewinnen dort Marktanteile und verkaufen zu Preisen, die wir sonst nicht kennen», berichtete der Lufthansa-Chef gemäss «fvw».
Klima könnte profitieren
Antje Monshausen von Tourism Watch bei Brot für die Welt verweist auf klimaschonende Alternativen in Europa, insbesondere den Schienen- und Busverkehr. Steigende Kerosinpreise könnten einen Beitrag zur notwendigen Verkehrswende leisten. «Wenn zusätzlich die Subventionen des Flugverkehrs für die Verbesserung und den Ausbau des Schienenverkehrs genutzt werden, ist die Verkehrswende möglich, ohne dabei die Mobilitätsbedürfnisse der Menschen zu sehr einzuschränken.»